Wednesday, September 29, 2010

"Mach mal Urlaub!" ...

... "und schlaf Dich mal kräftig aus!"

Das sind die zwei Sätze, die Burn-Out-Patienten von ihren Mitmenschen
gerne mal gesagt bekommen. Doch so einfach ist es nicht!
Nämlich ganz und garnicht!

Hat man denn nur eine leichte Erschöpfungssymptomatik, dann sind diese Ratschläge wohl sehr angebracht und können noch durch den Satz "Komm zur Ruhe, finde zu Dir selbst zurück und achte mehr auf Dich" ergänzt werden. Das geht und hilft dann auch!

Ist es aber, wie es bei mir war, ein totaler und kompletter Zusammenbruch,
und ich meine hier nicht nur eine Erschöpfung, sondern ein "SuperGAU" des gesamten Körpersystems ...
also
- Immunsystem kaputt (ständige und wiederholte Grippe, Magen-Darm-Infektionen usw)
- Fieberattacken - plötzlich, aber doch schön regelmäßig nach einem anstrengenden Tag und Tage mit Kindern und Arbeit und Haushalt sind immer anstrengend, also gibt es die immer schön gegen Abend (nein! nicht nur erhöhte Temperatur, sondern so richtig 40 grad Fieber mit Schüttelfrost und allem PIPAPO)
- Weinattacken/Heulkrämpfe
- Schlaflosigkeit und/oder so lebhafte Träume, daß man hinterher meint, überhaupt nicht geschlafen zu haben
-Überforderung bei der Anforderung die kleinste Entscheidung alleine zu treffen
-Schmerzen (und zwar richtige! nicht nur so ein "Zipperlein") ohne erkennbaren oder nachweisbaren Grund
-Appetitlosigkeit
-Probleme sich die einfachsten Dinge und Anweisungen zu merken ... manchmal war es sogar so, daß ich 2 Sekunden später nicht mal mehr wußte, was ich gerade gesagt hatte (hab ich heut noch von Zeit zu Zeit)
-massive Antriebslosigkeit (sogar Aufstehen und Zähneputzen ist zuviel und kann in einer Heulattacke enden ... Haushalt/Arbeit geht gleich garnicht ...)
- etc.

dann hilft eben nicht nur einfach das Ausschlafen und/oder Urlaub machen.
Mal ganz abgesehen davon, daß ich mir (oder eine andere Alleinerziehende Eurer Wahl) nicht mal schnell jemanden "für die Kinder" aus dem Ärmel schütteln und auch nicht einen ganzen Urlaub finanzieren kann ... auch nicht nur für mich alleine :-( Aber das mal beiseite.

Anträge für Mutter-Kind-Kuren wurden grundsätzlich abgelehnt mit der Begründung Erschöpfung sei keine Krankheit ....ja, das ist wohl richtig ... aber die daraus resultierenden Erschöpfungs-Depressionen und das Burn-Out-Syndrom (im Folgenden kurz BOS genannt) sind es schon!
Aber wieso sollte man vorsorgen?

"Das wird doch alles schon wieder!
Nur mal kräftig ausschlafen, Yoga machen und zur Ruhe kommen!"

Ja, Nee, is' klar!

Und dann möchte ich noch kurz erwähnen, daß trotz guter Prognose und der Meinung vieler Mediziner BOS nicht heilbar ist. Ja, ich weiß, ich bin kein Arzt und darf das so nicht sagen, aber als Betroffene darf ich doch mal für mich (und wahrscheinlich für viele andere Betroffene auch) festhalten, daß man nach einem erfolgreich überstandenen BOS-Schub niemals mehr "die Alte" ("der Alte") wird. Im Gegenteil: Man wird für den Rest seines Lebens aufpassen müssen, daß man sich nicht wieder selbst überfordert und vor allem: Nein-Sagen-Lernen ist ein absolutes Muß in der BOS-therapie.
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, daß BOS in Schüben verläuft ... also zumindest war es bei mir so ... die ersten "Schübe" sind heftig und dauern lange an, bei richtiger und schneller Behandlung geht es einem aber recht schnell (so ca. 1/2 - 1 Jahr war das bei mir) wieder "einigermaßen" gut (die Betonung liegt hier auf einigermaßen, das "Hauptleck" ist sozusagen gestopft .. der "Fehler" jedoch noch nicht behoben) .... d.h. die richtige Medikation, eine Therapie und/oder Kur und auch eine Arbeitsauszeit (das ist, gerade in der heutigen Leistungsgesellschaft, zwar oftmals schwierig durchzuführen, aber wirklich wirklich wichtig)
Später dann kommen die Schübe weniger heftig, weniger oft und mit größeren Abständen.

Ich vergleiche es gerne mit einer Berg- und Talwanderung: Wenn ich gesund bin, kann ich das beständige Auf und Ab des Lebens gut wegstecken, ähnlich einem Wanderer der ausgeruht und fröhlich ist....das Dunkel des Tal kann mir nicht so sehr Angst machen und ich mache mich schnell wieder an den Aufstieg. --- Bin ich aber erschöpft und krank, dann ist selbst das kleinste "Tälchen" für mich beängstigend und der Aufstieg auf den Berg (also die HOCH - zeit des Lebens, wo Erfolg und Glück mich erwarten) scheint kaum zu überwinden zu sein....der Berg-gipfel ist soooo weit weg und scheint unerreichbar. Dann kommt Hoffnungslosigkeit hinzu, die den Weg noch erschweren, und man stolpert oft und heftig und kommt kaum noch auf die Füße. Wie gut ist es da, wenn man einen Wegbegleiter hat, der einem auf die Füße hilft und Mut macht.

Seid der Wegbegleiter, macht Mut möchte ich Euch gerne zurufen....es ist auch für Eure Seele gut!

Für mich ist wichtig geworden, alles abzuschneiden, was mich in Stress versetzt und die Leute gezielt aufzuklären. Bescheid sagen, daß man sich zwar "Mühe gibt", aber trotzdem mal was "aus dem Ruder laufen" kann oder man seine Auszeiten braucht. Erklären, daß auch, wenn man sich mal nicht gleich meldet weil man einfach gerade nicht "kann", trotzdem "alles" (oder auch nichts) okay ist und man trotzdem Kontakt halten will. Viele denken nämlich, man schotte sich freiwillig ab und wolle nichts mehr mit der anderen Person zu tun haben. Im Gegenteil! Man würde ja gerne, aber es geht einfach nicht, weil schon ein Telefonat in einer "Schub-situation" zu viel sein kann. Das versteht das Gegenüber oft nicht und ist mit der Situation überfordert.

Trotz des Wissens und meiner Ehrlichkeit (oder gerade deshalb?) haben sich viele sogenannte GUTE Freunde von mir abgewandt und eigentlich das getan, was in einer solchen Situation noch zusätzlich Gift ist für die ohnehin schon angegriffene Seele. Selbst neugewonnene Bekannte wenden sich schnell ab, man sieht förmlich auf den Gesichtern geschrieben: "Ach je, noch so eine, die "auf Psyche macht"!" Das tut weh....sehr weh sogar!

Und das macht es den Betroffenen nicht gerade leicht, offen und ehrlich mit der Erkrankung umzugehen. Niemand möchte so abgestempelt werden und deswegen wird im Verborgenen gelitten und totgeschwiegen, daß es einem schlecht geht. Teilweise geht es dann bis hin zur Selbstverleugnung und man macht schön brav weiter, bis man nicht mehr weiterweiß. Amokläufe, Suicide, Drogenmißbrauch und Selbstverstümmelung (sogen. Ritzen) sind dann die Folge.
Kann sein, aber muß nicht!

Ein klein wenig Verständnis, ein bisschen Aufmerksamkeit und eine Umarmung können schon Wunder bewirken und dem Betroffenen zeigen: "Ich bin doch nicht ganz allein, wertlos und asozial! Ich bin auch wertvoll, wenn ich mal nicht 120% Leistung bringen kann! Ich werde geschätzt und geliebt." Und glaubt mir, denn ich spreche aus Erfahrung, das gibt schon Auftrieb und hilft "a bisserl". Es wirkt wie ein Pflaster: Das heilt nicht die Wunde oder die Krankheit, aber deckt die empfindliche Stelle ab, damit nicht noch mehr passiert.

Und wieder möchte ich rufen: Seid das Pflaster, helft heilen!

Aber da ich weiß, bzw. ganz oft erfahren durfte, daß meine Leser/Innen ja superliebe und tolle Mitmenschen sind, kann ich mir das "Schreien" ja eigentlich wirklich sparen. Gelle?
Viele von Euch haben immer wieder den Kontakt gesucht, mir liebe Worte hinterlassen vor meiner blogpause und mir "zugehört"... das hat mir schon gutgetan und ich möchte mal einfach auch DANKE sagen ... ich hoffe, ihr seid noch da?

Warum also schreibe ich das Ganze hier auf?
Erstens ist es für mich ein Stück Bewältigung
und zweitens möchte ich die Augen öffnen.

Menschen mit Depressionen und/oder Burn-Out sind NICHT "balla-balla" oder "Weicheier" oder "lebensfremde Faultiere", sondern Menschen, die ZU lange ZU stark waren oder sein mußten und bei denen die Krankheit als allerletztes Warnsignal oder "Time-out"-signal des Körpers und der Psyche auftritt.
Vorher sind schon allerlei Signale des Körpers nicht beachtet worden und das ist schlimm.
Noch schlimmer ist, daß diese Krankheiten nie mehr ganz weggehen, man muß also zeitlebens "auf Sparflamme" leben oder man rutscht wieder hinein :-(

Ich bin auf dem Weg der Besserung (nach nunmehr 3 Jahren mit Burn-Out), aber es gibt immer noch Platz für "Viel Besser" oder "Sehr Gut". Es gibt Tage, da will ich mich zusammenrollen wie ein Embryo und nur noch heulen oder schlafen ("in den Träumen gibt es keine Sorgen"). Es gibt Tage, da will ich davonlaufen und nie mehr wiederkommen. Mach ich aber nicht, meine Mädels sind ja auch noch da! Es gibt Tage, da bin ich verzweifelt am Leben, denke ich kann nichts richtig machen und überhaupt ist alles Sch**ße. Dann tut es mir leid, daß ich nicht auf mich geachtet habe und nun nicht mehr der TausendSassa sein kann, der ich mal war.
Und die ganze Zeit denke ich drüber nach, ob mein Burn-Out den Kindern wohl geschadet hat.

(HAT ES NICHT, sagt meine Therapeutin, die meine Kids schon kennenlernen durfte und mir gesagt hat, wie toll ich doch trotz Krankheit die Sache meistere und wie gut meine Mädels doch gelungen seien.)


Es gibt aber auch viele neue Tage, da will ich schreien und singen und die ganze Welt umarmen und das Leben ist einfach nur SCHÖN!
Da geht es mir dann so richtig gut und mir kann nichts die Suppe versalzen.
Ich weiß, das hört sich sehr nach pubertärem Hormonschwankungen an ... aber das ist okay so!
Ich darf das, weil ich immer noch dabei bin mich mit meinem Inneren Kind/Teeny zu versöhnen.
Immerhin ist nicht immer nur noch alles dunkelgrau und hellschwarz! :-D

Aber ich komm ja schon wieder vom Hundertsten ins Tausendste...wie immer halt *grins*
Also, die Quintessenz soll eigentlich sein:

Wir alle können helfen, ob nun bewußt oder unbewußt indem wir
1. in uns hineinhorchen und uns gut kennenlernen
und
2. unsere Mitmenschen bewußt wahrnehmen und nicht egoistisch immer nur fordern.

Denn: Warnsignale kann jeder erkennen! Dazu muß man kein Arzt sein!

Und sollte es doch schon zu spät sein:
Wendet Euch nicht ab!
Sondern seid der Wegbegleiter, der aufhilft oder das Pflaster, das hilft zu heilen. :-D

Soll ich jetzt Amen schreiben? ...nee....ich schreib: So isses! *lach*

In diesem Sinne
Liebe Grüße
Eure Melly


EDIT: Und falls Euch der "Kranke" einmal abweist, weil eine Umarmung oder Hilfestellung vielleicht gerade in dem Moment "zuviel" ist (das kann auch passieren), wendet Euch nicht beleidigt ab, sondern bleibt bitte bitte am Ball. Irgendwann wirst gerade DU, lieber Leser, dringend gebraucht und dann hast Du Deine Gelegenheit zu zeigen, daß Du Herz hast ;-)

2 comments:

Claire Fraser said...

Liebe Melly,
in vielen Dingen habe ich mich in diesem Artikel von dir wieder erkannt. Viele Situation, die ich nicht erklären konnte, machen nun Sinn. Und ich werde meinen Mann, der so sehr versucht mir zu helfen, aber auch manches Mal nicht weiter weiß, mal deinen Artikel lesen lassen.
Danke.
LG Claire

Anonymous said...

Liebe Melly,

ich danke dir von ganzem Herzen, dass du hier so offen über BOS geschrieben hast. Einige Symptome treffen auch auf mich zu, vor allem dass alles zuviel ist, und die Weinerlichkeit und die Schmerzschübe und nicht mehr in der Lage zu sein, Entscheidungen zu treffen. Das ist furchtbar und ich denke oft, dass ich nie wieder normal werde. Und das macht mir ganz furchtbare Angst.

Auch deshalb ist es super, dass du hier alles so ausführlich aufgeschrieben hast, weil so Betroffene erfahren, dass es Hilfe geben kann. Und weil so die Möglichkeit besteht, den Menschen, die voller Unverständnis sind, diesen Artikel zu zeigen.

Ich freue mich für dich, dass du auf dem Wege der Besserung bist und drücke dir fest die Daumen, dass es weiter bergauf geht.

LG Michaela